Die Berlinale, die Kampagne gegen die Kurzfilmtage Oberhausen und nun ein Programmkino in Frankfurt: Die verbreitete Abneigung gegen Israel in der deutschen Filmszene scheint ein ernstes Problem zu sein. Niemals hätten wir jedoch gedacht, dass auch unsere auf Koexistenz orientierte Wohltätigkeitsarbeit davon beeinträchtigt sein würde. Die Ausgrenzung israelischer Erfahrungen nimmt erschreckende Ausmaße an. Wir werden unsere humanitäre Mission für die Menschen Israels auch unter schwieriger werdenden Bedingungen fortsetzen, aber heute ist die Gesamtgesellschaft gefordert, unsere Werte zu verteidigen.

 – Statement von Sammy Endzweig, Vorsitzender von Keren Hayesod Deutschland

 

Betreff: Offener Brief der Veranstalter der Preview von “Golda – Israels eiserne Lady” an die Arthouse Kinos Frankfurt bezüglich der Absage 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

mit Bestürzung haben wir von Ihrer einseitigen Absage der gemeinsamen Kino-Preview von “Golda” mit anschließendem Zeitzeugengespräch erfahren. 

Da die Veranstaltung seit Wochen mit dem vollständigen Programm vereinbart war und so auch von Ihnen öffentlich beworben wurde, müssen wir davon ausgehen, dass Ihre Entscheidung zur Absage in Reaktion auf vorwurfsvolle – gar feindliche? – Zuschriften fiel. 

Eine besonders besorgniserregende Entwicklungen der vergangenen Monate ist, dass jüdische, israelische und israelbezogene Veranstaltungen immer weniger in der allgemeinen Öffentlichkeit Platz finden können und zusehends auf “eigene” Räume verwiesen sind, wenn sie überhaupt stattfinden sollen – eine in der Geschichte der Bundesrepublik präzedenzlose neuerliche Marginalisierungserfahrung. Mit Ihrer einseitigen Absage haben Sie sich mitverantwortlich gemacht, dieser Tendenz sich nicht nur nicht entgegengestellt, sondern sie auch noch mitgetragen zu haben. 

Ihre in der Absage getätigte Unterstellung, im Rahmen unserer Veranstaltung wären Meinungsvielfalt, ein offener Austausch und kritischer Dialog nicht gewährleistet, stellt eine ungeheuerliche Verunglimpfung dar. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Weil die acht sehr diversen Verbände zumeist jüdische und allesamt Israel sowie seinen Menschen verbunden sind? 

Der Sportverband Makkabi, um ein Beispiel zu nennen, ist für seine integrative, diversitätsfördernde und betont offene Arbeit bekannt und hochgeschätzt. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Frankfurt, um ein weiteres zu nennen, veranstaltete am Dienstagabend im Haus am Dom einen Vortrag mit Diskussion zum brisanten Thema “Hamas: Grundlagen und Perspektiven eines zerstörerischen Systems”. Welch bittere Ironie, dass just zu dem Zeitpunkt, da Sie die Schritte zum Canceln des Screenings einleiteten, unser Moderator vor 100 Zuhörern erklärte: Einem von Vorurteil und teilweiser Feindschaft geprägten Klima zum Trotz “einen sachorientierten, gerne auch kontroversen, in jedem Fall aber um Aufklärung über den Gegenstand bemühten Diskurs zu ermöglichen und weiterhin einzufordern, das ist das Ziel unserer Veranstaltungen noch vor der Vermittlung des jeweiligen Inhalts.” Einige Minuten später erhielten viele der Anwesenden, die bei Ihnen Karten gekauft hatten, Ihre Absage auf die Handys. 

Mit Bezug auf die von Ihnen unterstellte Einseitigkeit der geplanten Veranstaltung stellt sich die Frage, worin diese überhaupt bestehen solle. Das Thema des Films ist das Versagen des israelischen Sicherheitsestablishments vor dem Angriff der arabischen Staaten an Jom Kippur vor gut 50 Jahren, kulminierend in der Frage nach der persönlichen Verantwortung der damaligen Ministerpräsidentin Golda Meir. Es geht um ihre Entscheidungen in dieser 

dramatischen Situation sowie die damit verbundene Ambivalenz von Meir als Ikone Israels. Unser Zeitzeuge David Schiller, der als Soldat den Jom-Kippur-Krieg und seine Schrecken erleben musste, hätte über die Erfahrungen der Soldaten an der Front und ihre Gefühle gegenüber der eigenen Führung berichtet. Diese wären umso spannender gewesen, da Schiller wenige Jahre zuvor als in Deutschland aufgewachsener junger Jude voller Idealismus – und gewiss auch Bewunderung für Israels erste Premierministerin – ins Land gekommen war und 1973 eine dramatische Entzauberung von “Israels eiserner Lady” erleben musste. In den Wochen des Jom-Kippur-Kriegs, eines der zentralen geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, war wie zu kaum einem anderen Zeitpunkt die junge Existenz des Staates Israel in Gefahr. Der Krieg wird in Israel, aber auch von Jüdinnen und Juden in der Diaspora, als großes Trauma erinnert. Golda Meirs Rolle als Premierministerin und schließlich im kollektiven Gedächtnis Israels nach 1973 ist äußerst ambivalent und mit existenziellen Fragen und Ängsten verbunden. Eine Auseinandersetzung mit den Ereignissen und der Person Golda Meirs ist somit inhärent von Widersprüchen geprägt und ein Preview des Films mit darüber hinausgehendem Dialog wichtiger Bestandteil offener und kritischer Öffentlichkeit. Worin hätte die von Ihnen befürchtete Einseitigkeit bestehen sollen? Dass Schillers Perspektive des “einfachen Soldaten” zu hart mit der damaligen Führung und dem historischen Vermächtnis Golda Meirs ins Gericht gegangen wäre? 

Sie sehen selbst, wie der Versuch, den Inhalt Ihrer Befürchtungen zu bestimmen, nur absurde Suggestionen zulässt. Es liegt auf der Hand, davon auszugehen, dass es denen, die Vorwürfe gegen die Veranstaltung an Sie herantrugen, um etwas ganz anderes geht. Sie reihen sich ein in eine unter dem Eindruck des gegenwärtigen, von der Terrororganisation Hamas vom Zaun gebrochenen, Kriegs ansteigenden Welle der Delegitimation des jüdischen Staates. Veranstaltungen zu Israel, zunehmend jüdische überhaupt, sollen nur noch toleriert werden, wenn sie dezidiert gegen Israel gerichtet sind. Dem fällt selbst eine historische Betrachtung Golda Meirs zum Opfer. Hier ist die tatsächliche Verengung des Diskurses zu verorten. Es handelt sich um eine Diskriminierung anhand doppelter Standards, die jüdische und israelische Stimmen nur als “kritische” im Sinne der eigenen Weltanschauung zulassen will. 

Anstatt sich diesem Totalitarismus entgegen- und hinter unsere Veranstaltung zu stellen, haben Sie sich entschieden, ob aus Überzeugung oder Opportunismus, sich diesem faktisch zu beugen. Ihre Entscheidung trägt in der Konsequenz zur Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden sowie zur Ausgrenzung des deutsch-israelischen Dialogs bei. Angesichts der eingetretenen Irritation sowie nicht zuletzt des nachhaltigen Vertrauensverlustes sind wir ratlos, wie eine Schadensbegrenzung in der aktuellen Situation aussehen könnte. In der Hoffnung auf Ihren guten Willen, sind wir aber gespannt auf Vorschläge Ihrerseits. 

Mit freundlichen Grüßen 

Akim Deutschland e.V.

Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.Arbeitsgemeinschaft Frankfurt

Jüdischer Nationalfonds e.V.Keren Kayemeth LeIsrael

Keren Hayesod–Vereinigte Israel Aktion e.V.

Kinder-und Jugend-Aliyah e.V.

TuS Makkabi Frankfurt e.V.

WIZO Deutschland e.V.

Zionistische Organisation in Deutschland e.V.